Die Ausstellung „Trace & Volume“ – eine Retrospektive zu den Skulpturen und Zeichnungen von DIETRICH-MOHR – stellt nicht nur seine exemplarischen Werke in den Mittelpunkt, sondern zelebriert insbesondere auch die 50 Jahre seines Lebens und künstlerischen Schaffens in Paris. Denn Mohr kam 1951 an die Seine, wo er sich in an der Académie de la Grande-Chaumière in Montparnasse bei Ossip Zadkine einschrieb.
Wir bieten unter dem schönen Titel TRACE & VOLUME einen umfassenden Überblick über sein Schaffen, von Zeichnungen bis hin zu Metallskulpturen. Bei einer der ersten Bronzeskulpturen des Künstlers mit dem Titel „Réalité dépassée“(zu Deutsch: Überholte Realität) (1957) ist der Einfluss des Kubismus offensichtlich. Zadkine ist zu diesem Zeitpunkt noch sehr präsent. Der Schaffensweg von DIETRICH-MOHR sollte sehr lang und erfolgreich sein. Aber schon bei diesem Werk kann man eigentlich vorausahnen, in welche Richtung sich der junge Künstler entwickeln wird. Schon damals besaß er einen eigenen Stil, der anfing, sein Schaffen deutlich zu prägen, auch wenn er anfangs noch sehr stark von Spontanität verleitet wurde. Er wusste jedoch, dass er sich der Geometrie verschrieben hatte, diesem perfekten Gleichgewicht konstruierter Formen, nach dem er bis in die letzten Jahre seines Schaffens strebte. (…)
Nach einer kurzen Periode figurativer Kunst, die schon die informelle Stilrichtung ankündigte, schuf DIETRICH-MOHR ab den 1960er Jahren Skulpturen wie „Limpide“ (1960), eines der ersten Werke, das eine Vorahnung auf den künftigen konzeptuellen Stil des Künstlers gibt: Eine Skulptur, die aus Metallblättern gefügt ist. (…)
Er festigte und verfeinerte seinen Stil, der immer mehr Kraft ausstrahlte. Einige Jahre später begann er, eine ganz eigene Ausdrucksweise zu entwickeln, die ihm internationales Renommee und Bekanntheit verschaffen sollte. Denn mit seinem Werk „Nuit transfigurée“ (zu Deutsch: Verklärte Nacht) (1963) verfolgte er einen neuen Ansatz zur Umsetzung teils voll teils durchbrochen gearbeiteten Materials – er vereinte Fülle und Leere -, ohne bisher jedoch Licht durch das Werk passieren zu lassen. Doch schon jetzt nutzte er (bei diesem Werk) senkrechte Platten und horizontale Zinkstreifen zur geschickten Volumenkomposition und Schaffung eines einmaligen Universums.
Die Pole „Positiv – Negativ“ waren eingeführt. War sich DIETRICH MOHR bewusst, dass er damit einen Weg gefunden hatte, sich in der Welt der Kunst zu etablieren? (…) Er setzte seine Suche unermüdlich weiter fort, indem er seine Werke immer weiter zum Licht öffnete, bis sie schließlich Transparenz erlangten. Innere Trennwände verschwanden, das Werk wurde vom Himmel und der Natur eingenommen, um ihm eine ganz neue Dimension und unbestrittene Räumlichkeit zu verleihen. Sein Wunsch, Monumentales zu schaffen, fand jetzt seine Erfüllung:
Groβplastiken, die mit ihren genial zusammengesetzten, kühnen Kombinationen von strahlender Schönheit sind.
Der Bildhauer DIETRICH-MOHR liebte in der Tat kühne Ansätze und zeigte sich immer wieder risikofreudig, was das Gleichgewicht seiner Werke angeht, das er manchmal bis an die Grenzen des Möglichen ausreizte (…).
Strenge, Intensität, Offenheit und Empfänglichkeit gehörten zu den wichtigsten Qualitäten des Künstlers, der sich ständig auf der Suche nach seinen eigenen Wurzeln befand und immer wieder von Selbstzweifeln geplagt war.
Patrick-Gilles Persin
Katalog TRACE & VOLUME, Ausstellung im Espace Culturel de l’Auditoire, Ville de Bonneval, Eure-et Loir 2001